Aktuelles

Laudatio Dr. Etem Ete

Du bist im Jahr 1943 in Istanbul im Deutschen Krankenhaus auf der Europäischen Seite auf die Welt gekommen und auf den Prinzeninseln aufgewachsen. Deine Kindheit und Jugend verbrachtest Du in Istanbul und Ankara. Dein Vater, Professor Muhlis Ete (1928), studierte in Leipzig und Berlin Betriebs- und Volkswirtschaft und war in den 50ern und 60ern zweimal Wirtschafts- und Handelsminister der Türkei. Er war derjenige, der während der Nazi-Herrschaft die glorreiche Idee hatte, 300 deutschen Akademiker*innen jüdischer Herkunft in der Türkei eine neue Heimat zu verschaffen. Muhlis Ete war auch derjenige, der als türkischer Handelsminister mit seinem Freund Ludwig Erhard, damaliger Handelsminister und später Bundeskanzler der BRD (1963-66), ein Konzept für die Gastarbeiterzuwanderung ausarbeitete.

1961 machtest Du Abitur und danach bist Du mit Deinen Eltern nach Kiel gekommen, Dein Vater hatte eine Gastprofessur.

Etem Ete beobachtete als Jugendlicher wichtige sozial-politischeEntwicklungen, die die neu gegründete Republik Türkei und die Nachkriegszeit Deutschlands unmittelbar beeinflusst haben. Als Bundesvorsitzender des weltweiten Verbandes der türkischen sozialdemokratischen Volksvereine HDF hattest Du Kontakt zu Willy Brandt, zur legendären Symbolfigur der türkischen Sozialdemokratie Erdal Inönü, sowie zu den kritischen Intellektuellen in der Türkei wie Uğur Mumcu und Aziz Nesin. Sie prägten Dich und Dein politisches Engagement im Kampf für den Frieden und die Völkerverständigung.

Etem Ete blieb in Kiel, studierte Humanmedizin, obwohl er eigentlich Staatswissenschaften in der Türkei studieren wollte.

Das Studium setztest Du in Erlangen und München fort, machtest 1970 Staatsexamen und begannst in der Psychiatrie, zunächst im MPI München, später in Kaufbeuren.

Eigentlich hattest Du gar nicht die Absicht, lange Zeit als Arzt in Deutschland zu arbeiten. Nach anderthalb Jahren Ausbildung als Medizinalassistent wolltest Du die Facharztausbildung in der Türkei ableisten. Doch Du bist hiergeblieben!

Du hast sogar zum Thema „Die sozialen Anpassungsprozesse von ausländischen Arbeitnehmern und die psychischen Störungen bei missglückter Integration“ promoviert. Du bist damals schon zu dem Schluss gekommen, dass missglückte Integration ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Psychosen, Depressionen und reaktiv-aktualisierten neurotisch-psychischen Störungen ist. Damit warst Du der Zeit um Jahrzehnte voraus! Leider sind Deine Erkenntnisse in der Folge in Vergessenheit geraten und wie so oft – wir mussten das Rad neu erfinden!

Du konntest in Bayern aber leider nicht arbeiten. Wie wir von Dir erfahren konnten, hatte der stellvertretende Staatssekretär in einem ironischen Tonfall zu Dir wortwörtlich gesagt „Herr Jungarzt, aus der Türkei brauchen wir lediglich Arbeiter. Wir haben keinen Bedarf an ausländischen Akademikern in Deutschland. Wie wäre es, wenn Sie in Ihr Land zurückkehren und Ihr Facharztstudium dort machen würden?“ Daraufhin hast Du wohl sehr entschlossen erwidert „Meine gesamte medizinische Ausbildung habe ich in Deutschland durchlaufen. Um Arzt zu werden, reicht es nicht, hier Medizin studiert zu haben. Der Professor, der meine Facharztausbildung betreut, lehrt in München. Ich muss diese Ausbildung daher an einem Ort in der Nähe der Universität abschließen.“ Doch das hat Dir nicht geholfen, Du musstest Bayern verlassen und hast auf Grund von aufenthaltsrechtlichen und berufsrechtlichen Problemen in Hamburg

Dein innerdeutsches Asyl gefunden. In Hamburg hast Du Deinen beruflichen Werdegang im ehemaligen AK Ochsenzoll, heute Klinikum Nord, fortgesetzt.

1987 wurdest Du klinikmüde und hast Dich daraufhin in Hamburg niedergelassen, wo Du an der Ecke Reeperbahn bis 31.12.2004 Deine Praxis hattest und dann in Rente Dich verabschiedetest.

2009-2012 kehrtest Du wieder zurück, arbeitetest als Gutachter für den MdK Nord

Seit 2012 befindest Du Dich im Urlaub von der Transkulturellen Psychiatrie und Migrationspsychiatrie.

Die Krebserkrankung Deiner Partnerin, die er vor mehreren Jahren verlor, weckte Dein Interesse an der Psychoonkologie. Du hast in Hamburg – Altona ein Familiengrab mit Blick auf die Elbe gekauft!!

Deine Beziehung zu uns: 

1994 – 2006 warst Du Gründungs- und aktives Mitglied der DTGPP.

Und, wir kennen uns seit 1994, seit dem 1. DTGPP-Kongress in Antalya. Schon vorher kannte ich Dich vom Hörensagen, vor allem durch Dr. Hüseyin Okur, Hüseyin abi, der mir Anfang der 90er von Dir als einen niedergelassenen türkeistämmigen Psychiater in Hamburg berichtete. Es machte mich stolz, Dich dann auch persönlich kennen zu lernen.

Die Zeit mit Dir verbinde ich mit sehr vielen Anekdoten, sehr schönen Erinnerungen an Vorstandssitzungen z. B. in den Toros – Berge in Adana, Antalya, Istanbul, Hannover und natürlich auch in Hamburg, an Kongresse und andere Begegnungen.

Ein Zitat von Dir bemühe ich immer wieder. Damit ich in der Arzt-Patient-Beziehung den Unterschied zwischen den türkisch-stämmigen und

einheimischen Patienten besser verstehe, hast Du mal gesagt „Türkische Patienten würden sagen, deutsche Ärzte fragen mich, was ich habe und türkische Ärzte sagen mir, was ich habe“. Oder wie Du türkei-stämmigen Menschen in einem Tschibo-Kaffeeladen gelauscht hast und erfahren musstest, wie sie über Dich reden.

In einem Zeitungsinterview 1993 hatte ich gelesen, was Du in einem Interview geschrieben hattest. Als Du eine türkische Frau fragtest, warum sie denn nicht Deutsch gelernt habe, habe sie geantwortet „Weißt du, selbst wenn ich Deutsch könnte wie ein Dichter, ich bliebe doch die Ausländerin. Versteh‘ ich wenig, versteh‘ ich auch wenig von ihren Beleidigungen.“

Es gibt so viele andere Dinge, die ich, wir von Dir gelernt habe. Man könnte die gesamte Veranstaltung damit füllen… Ich hoffe, Du bleibst uns lange erhalten.

Es ist mir eine Ehre Dich zu kennen!

Meryam Schouler-Ocak

Abschiedssymposium 2023

„Abschiedssymposium für Herrn Dr. Etem Ete“

Download als PDF-Datei


Dr. Meltem Kora „Zaman-sız“

Hamburg, ve 19 Mayıs 2023

PDF dosyası olarak indir